Seit es den Begriff Coaching in der Personalentwicklung gibt, gibt es auch die Diskussion darüber, ob Chefs ihre Mitarbeiter coachen können. Können heisst in diesem Zusammenhang zweierlei:
- Kann ein Vorgesetzter mit Mitarbeitern nach „Coaching-Prinzipien“ umgehen, weil er die Fähigkeiten dazu hat? Hat er also ein entsprechendes Instrumentarium parat, hat er Coaching in irgendeiner nennenswerten Art und Weise gelernt?
- Kann ein Chef die verschiedenen Mützen unterscheiden, die er einerseits als Coach, andererseits aber als Vorgesetzter auf hat?
Als jemand also, der auch Beurteilungs- und Sanktionierungsaufgaben wahrnehmen muss.Nachdem Coaching nicht zuletzt von einer guten und vertrauensvollen Beziehung zwischen Coach und Klient abhängt, liegt hier natürlich auch die Frage nahe, ob Mitarbeiter sich von ihren Chefs überhaupt coachen lassen, und ob ihnen das anzuraten ist.
Verkaufsleiter als Coaches
Diese Fragen tauchen auch auf, wenn Verkaufsleiter über diesen Teil ihrer Aufgaben nachdenken. Wenn ich mit Verkaufsleitern spreche, höre ich schon öfter mal, jemand würde seine Mitarbeiter im Aussendienst auch immer wieder „coachen“. Was ist damit gemeint? Coaching ist ja nach einem inzwischen einigermaßen gut vereinbarten Branchen-Verständnis die Hilfe zur Selbsthilfe,
(Sonja Radatz) also. Zu dieser Art von Beratung ist man unter anderem gekommen, weil sie in vielen Fällen ganz besonders wirkungsvoll und nachhaltig ist. Lösungen, welche sich Klienten selber erarbeitet haben, haben in aller Regel eine wesentlich höhere Chance auf Umsetzung als die – wenn auch gut gemeinten – Ratschläge eines anderen. Keith Rosen, der in den USA Verkaufsleiter zu Coachesihrer Mitarbeiter im Aussendienst schult, schreibt dazu in seinem empfehlenswerten Buch „Coaching Salespeople into Saleschampions“
„…The coaching model is based on the belief that the question is the answer. The coach is responsible for people finding the answers themselves… Coaching provides the opportunity for people to generate solutions and solve problems on their own, while bringing out their very best…“
Coaching oder Verkaufen?
Wenn ich mit Aussendienstmitarbeitern spreche, höre ich allerdings schon mal, dass Ihr Chef unter Coaching versteht, dass er mit zum Kundenbesuch geht, um dem Kollegen dann hinterher Tipps und Feedback zu geben. Dann höre ich auch ab und zu, dass der Verkaufsleiter immer wieder mal dem Impuls unterliegt, selber das Heft in die Hand zu nehmen, das heisst das Verkaufsgespräch zu dominieren.Das ist sicher im Sinne der Auftragsgewinnung gut gemeint, vor allem wenn er das Gefühl hat, dass sein Kollege im Verkaufsgespräch gerade wichtiges Terrain verliert und der Deal in Gefahr ist. Wichtig ist bei solchen Arrangements also auf jeden Fall, vorher genau abzusprechen, wann und wie der Chef womöglich einspringen wird. Bei Kunden, die unbedingt in diesem Setting das Statement des Verkaufsleiters haben wollen, geht es manchmal gar nicht anders, der Chef muss sich unter Umständen einbringen, eventuell auch Konditionen zu Ende verhandeln. Mit Coaching hat das aber dann nicht mehr viel zu tun, das ist eher eine Art „gemeinsames Verkaufen“.
Verkäufer verlassen sich auf die Hilfe Ihres „Coaches„
Eine große Gefahr darf man bei solch einem Gesprächsverlauf nicht vergessen, sie könnte sich sogar festsetzen und auf Dauer die Position des Aussendienst-Mitarbeiters bestimmen: er könnte lernen, sich bei solchen Auftritten auf die „Hilfe“ des Chefs zu verlassen, und die eigenständige und selbstverantwortliche Verkaufe bleibt auf der Strecke.
„…The point is, let your employees solve their own problems or you will wind up managing a team of salespeople that is fully dependent on you….“
Das passiert vor allem Verkaufsleitern, die selber gute Verkäufer sind oder waren, und die sich nach wie vor über diese Art von Erfolgen freuen und auf sie stolz sind. Allerdings höre ich dann in Beratungsprozessen auch immer wieder die Klagen über Mitarbeiter, die nicht selbstständig, nicht „motiviert“, oder nicht durchsetzungsfähig genug sind. Da ist Henne und Ei nicht immer leicht zu unterscheiden…
Supervision für Coaches: Qualitätssicherung
Es gibt noch eine ganze Reihe anderer Einwände gegen die Idee, dass Chefs als Coaches tätig werden sollten. Allerdings beobachte ich, dass vor allem im englischsprachigen Raum diese Idee inzwischen durchaus wieder Boden gewinnt. Immer aber mit der Einschränkung, dass dabei einige wichtige Bedingungen erfüllt sein müssen. Neben der zugegebenermaßen recht schwierigen Aufgabe, die verschiedenen Rollen voneinander einigermaßen trennen zu können, ist es auch das Selbstverständnis und die Fähigkeiten des Verkaufsleiters selber.Wer sich nicht einer ausführlichen Weiterbildung zum Coach unterzieht, wer sich auch nicht selber immer wieder Unterstützung im Coaching holt, der muss sich nicht wundern, wenn es am Ende dann doch immer wieder klassisches Führungsverhalten ist, was bei einem „Coachinggespräch“ heraus kommt. Die entsprechende Unklarheit ist schlecht für alle.
Management first!
Wobei damit die Basics des Führungshandwerks nicht klein geredet werden sollen, im Gegenteil. Wer seine Hausaufgaben als Manager noch nicht gemacht hat, soll erst mal damit anfangen, bevor er sich auf die (zusätzliche) Rolle als Coach seiner Mitarbeiter einlässt.
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