Dass mit dem Wort „Verkaufen“ immer wieder mal ein etwas seltsamer Beigeschmack verbunden ist, kennt jeder, der in diesem Metier unterwegs ist. Woher kommt das eigentlich und – bleibt das wohl immer so?
Es wird deutlich besser, vor allem im B2B-Verkauf, aber immer wieder mal spürt man doch relativ deutliche Vorbehalte, wenn man jemanden erzählt, dass man „im Verkauf“ tätig sei. Irgendwie hängen teilweise noch alte Vorurteile von Staubsauger- und Schnürsenkel – „Vertretern“ in der Luft, möchte man meinen.
Eine recht hilfreiche Erklärung kann man den Ergebnissen eines Nobelpreisträgers entnehmen, nämlich den Schriften von George Akerlof. Ich bin auf diesen Herrn und seine Erklärung des o.g. Beigeschmacks im neuen Buch von Daniel Pink gestoßen „To Sell is Human: The Surprising Truth About Persuading, Convincing, and Influencing Others“.
George Akerlof hatte bereits 1967 ein Forschungsergebnis vorgelegt, das allerdings erst mal niemanden interessierte. Es ging darin um Phänomene aus dem Gebrauchtwagen-Verkauf. Der Artikel wurde später zu einem der meist-zitierten in der Wirtschaftswissenschaft, und für diesen Artikel bekam er auch wie erwähnt den Nobelpreis. In der Wirtschaftswissenschaft gingen die meisten Theorien bis dahin davon aus, dass die Parteien einer „Transaktion“ eigenständige, vollständig und gleich informierte Akteure seien, die in ihrem ureigenen Interesse rationale Entscheidungen treffen.
Akerlof untersuchte wie gesagt den Gebrauchtwagenmarkt und stolperte über die Tatsache, dass beide Parteien (Käufer und Verkäufer) eben NICHT gleich informiert sind. Der Verkäufer weiß in aller Regel deutlich mehr über Autos, speziell aber über seine Gebrauchten, die er gerade an den Mann bringen will. Und das galt ja für praktisch jede Verkaufssituation. In der Regel waren die Verkäufer deutlich besser informiert als die Käufer, und diese Asymmetrie hat ganz bedeutsame Folgen für alle, die auch heute noch im Verkauf tätig sind.
Was passiert da eigentlich genau?
Wenn der Verkäufer ehrlich ist, wird er trotzdem vom Käufer misstrauisch verdächtigt, ihn hinter’s Licht zu führen. Der Verkäufer wird langsam die Lust verlieren, so zu agieren. Wenn der Verkäufer nicht ehrlich ist, also die Macken des Gebrauchten nicht alle auf den Tisch legt, wird der Käufer spätestens beim nächsten Mal misstrauisch sein und einmal mehr bestätigt worden sein, dass man Verkäufern nicht trauen kann. Auf diese Weise verschwinden – systemisch betrachtet – die „guten Deals“ nach und nach aus dem Markt, und die anderen haben die Tendenz, überhand zu nehmen. Und deshalb gilt die Regel: Wenn Verkäufer mehr wissen als ihre Käufer, gilt es, verdammt gut aufzupassen.
Wenn man sich aber versuchsweise eine Welt vorstellt, in der diese Asymmetrie nicht vorhanden ist, in der beide Partner die gleichen Chancen haben, sich schlau zu machen, in der also Verkäufer und Käufer ungefähr die gleich guten Zugangsmöglichkeiten zu den relevanten Informationen haben. Was würde dann passieren? Wir können aufhören, über eine solche Welt zu sinnieren – wir leben bereits in einer solchen.
Die Käufer von heute können sich in fast jeder Hinsicht deutlich schlauer machen als früher. Sie haben Zugang zu vielen Informationen und sind der Ehrlichkeit des Verkäufers längst nicht mehr so ausgeliefert. In einer Podiumsdiskussion, welche die BLM kürzlich in Regensburg veranstaltet hat, meinte einer der Panel-Teilnehmer (ein Einzelhändler, der sich über die Folgen des Onlinehandels für den stationären Einzelhandel äußerte) : „die Kunden haben heutzutage viel mehr Macht als früher, sie wissen alles besser oder glauben das zumindest. Manche Verkäufer kommen damit überhaupt nicht gut zurecht…“
Diese Symmetrie im Grad der Informiertheit zwischen Verkäufer und Käufer wird vermutlich zweierlei Tendenzen verstärken:
- Der Prozess des Verkaufens verlangt zunehmend vom Verkäufer eher beratende und helfende Einstellungen und Fähigkeiten. Er muss dem Käufer dabei helfen, das richtige zu kaufen. Und nicht ihm das Produkt oder die Dienstleistung mit der (für ihn) besten Provision auf’s Auge drücken.
- „Verkaufen“ wird als ein – übrigens uralter und archetypischer – Vorgang unter Menschen zunehmend den Geruch des Unseriösen verlieren und stattdessen Respekt und Anerkennung mit sich bringen (Hoffentlich…;-)
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